The Caledonia Way. Kapitel 8: Sustrans-Route 78: Inverness – Oban

21. Juli

Inverness – Foyers

34 Kilometer

Zunächst lasse ich mich heute zur Abwechslung mal fahren. Mit dem Zug geht es zurück nach Inverness, statt der erwarteten 1-2 Stunden ist der Zug 4 Stunden unterwegs, aber viel schöner kann Zugfahren nicht sein, wir fahren durch wunderschöne Landschaften, ich sehe viele Rehe und einmal sogar einen mächtigen Hirsch, der sich vom vorbeifahrenden Zug nicht im Geringsten stören lässt.

Dementsprechend ist es auch schon spät, als ich mich auf mein Rad schwinge. Mit einer Besichtigung von Inverness muss ich mich zuindest nicht mehr aufhalten. Der Weg ist einigermaßen unspektakulör und es ist nicht so weit, bis man das Loch Ness erreicht, dort gibt es auch in der nächsten Ortschaft einen Campingplatz, der das komplette Gegenteil von Betty Hill ist. Der Service und die Anlagen sind so perfekt, dass ich es kaum glauben mag. Bleibt nur noch zu hoffen, dass ich in der Nacht nicht von Nessy heimgesucht werde.

22. Juli

Foyers – Fort William

84 Kilometer

Heute steht mal wieder eine Bergetappe an, wie üblich, mache ich mir wieder Sorgen, ob ich das schaffe – wie üblich, werden die Sorgen unbegründet sein. Die Herausforderung dieser Etappe ist eine ganz andere, doch dazu später. Es geht direkt zu Beginn ordentlich bergauf, aber es gibt nach einem kurzen Stück einen Wasserfall, zu dem man nur zu Fuß kommt. Bis 400 Meter kraxel ich mit dem Rad anschließend hinauf, die Ausblicke sind dafür wunderschön, auch wenn die Fotos das nicht im Ansatz wiedergeben können. Das ist Schottland wie aus dem Bilderbuch. Die Abfahrt nach Fort Augustus ist nur leider viel zu schnell vorüber. Ich habe mir eine Pause jetzt redlich verdient, nur bin ich in diesem Ort nicht allein. Massen von Touristen sind hier, um Loch Ness zu sehen. Und wer möchte, hat eine große Auswahl an Souvenirs, ein Cap mit Ohren von Nessie zum Beispiel. Nach einer ordentlichen Portion Fish & Chips geht es weiter. Der Weg ist nun eben und führt parallel zwischen zwei Flüssen entlang. Mir begegnen sehr viele Wanderer mit großem Gepäck, Schilder weisen auf den „Glen-Way“ hin, der von Inverness bis Fort William führt. Damit die Radfahrer frei vom immer stärker werdenden Autoverkehr radeln können, führt die Route ebenfalls über den hügeligen Wanderweg und die Qualität des Untergrunds ist eher für Wanderer gedacht, als für mein beladenes Tourenrad. Da hilft es auch nichts, dass sich nun ein ordentlicher Sprühregen breit macht. Ein Etappenziel hab ich mir für heute nicht gesetzt, ich würde gern ein B&B entlang der Strecke nehmen. Nur sind sowohl die Ortschaften als auch die Unterkünfte hier mehr als rar gesät. Ein entgegenkommender Radfahrer kann mir zumindest versichern, dass die Qualität des Weges besser und es auch wieder eben werden wird. Dann werde ich wohl bis nach Fort William fahren, da gibt es massenhaft Unterkünfte. Ich halte dennoch die Augen auf, doch erst als ich einen Abstecher nach Corpach mache, gibt es zwei Möglichkeiten, ein sehr heruntergekommenes Hotel, ich entscheide mich dagegen und ein Bunkhouse, doch entgegen des Schildes am Straßeneingang ist hier kein Bett mehr frei. Die fünf Meilen bis Fort William schaffe ich noch. Dort steuere ich direkt in die Touri-Info, man kann mir zwar kein Zimmer buchen, aber ich bekomme eine Straßenkarte, in der die Straßen markiert sind, in denen es ein B&B nach dem nächsten gibt. Die Schilder davor verraten: „No vacancies“, „No vacancies“, „No vacancies“. Es wird leider auch immer später, ich bin müde und nass und würde gern einfach nur irgendwo ankommen. Ein sehr großes und auch sehr teuer aussehendes Hotel steuere ich an, auch die sind ausgebucht. Die Dame an der Rezeption sagt aber, das nächste Hotel sollte noch was frei haben. Dort angekommen, ernte ich wieder nur ein bedauerndes Kopfschütteln, darf aber das W lan nutzen, um noch ein Hotel aufzustöbern, wirklich das einzige hier, was einigermaßen nah liegt. Ich reserviere mir das Zimmer noch schnell telefonisch und mache mich auf den Weg. Kurz bevor ich ankomme, gibt es ein B&B das doch tatsächlich auch „Vacancies“ ausgeschrieben hat, fragen kostet ja nix, im Gegenteil, es ist so viel günstiger als das Hotel, dass ich bleibe, nachdem ich mein reserviertes Zimmer abgesagt habe. Und darüber, dass alle englischen Zimmer mit Wasserkocher und Tee ausgestattet sind, freue ich mich heute ganz besonders!

23. Juli

Fort William – Oban

82 Kilometer

Gestern abend habe ich noch festgestellt, dass es statt der von mir erwarteten 50 Kilometer bis Oban leider doch 50 Meilen sind. Da ich inzwischen aber gut eingefahren bin und auch die Höhenmeter nicht mehr so stark spüre, sollte das gut zu schaffen sein, außerdem ist das Höhenprofil heute ohne größere Ausschläge. Morgens sieht es noch sehr bedeckt aus. Zunächst geht es darum, den Fähranleger zu finden, das ist aber schnell erledigt, doch die Fähre fährt erst in einer Dreiviertelstunde. Wir brauchen aber allein für mein Rad und die zahlreichen anderen, die sich inzwischen eingefunden haben mindestens eine Viertelstunde zum Verladen. Die Räder werden kunstvoll vom Fährmann am Dach vertaut, sowas habe ich auch noch nicht gesehen. Mir werden auch helfende Hände gereicht, damit ich mich nicht allein mit meinen 6 Taschen abmühen muss. Man fragt sich ja schon, ob man viel zu viel dabei hat, auf der anderen Seite brauche ich alles, was in meinen Taschen ist, nur die Reperaturutensilien sind noch nie zum Einsatz gekommen und das ist auch gut so. Auf der anderen Seite des Loch Linnhe angekommen, ist verfahren unmöglich und inzwischen hat es sich auch aufgeklärt und fährt sich einfach nur wunderschön. Wiedermal Schottland wie im Bilderbuch. Die Gipfel hängen zum Teil noch in den Wolken, die Sonne giltzert auf dem Wasser und ein paar Schafe weiden gemütlich auf sattgrünen Wiesen vor dieser traumhaften Kulisse. Nach ca. 10 Meilen steht die nächste Fährfahrt an, ich sehe die Fähre schon von weitem noch einlaufen und trete ordentlich in die Pedale, um es noch an Bord zu schaffen. Dort treffe ich dann einige Radler der ersten Fähre wieder, zwei haben wir jedoch abgehängt. Ich komme mit einem englischen Radler aus Newcastle ins Gespräch, der gerade einen Trip über Holland nach Berlin plant. Als wir die Fähre verlassen, lasse ich ihn weiterziehen. Hier auf der anderen Seite sind die Ausblicke weiterhin traumhaft, nur der Verkehr hat massenhaft zugenommen und so richtig Spaß macht das Radeln nicht, vorbeirauschende LKWs trüben das Fahrvergnügen. Aber man fährt immerhin auf einem separaten Streifen, so dass man sich zumindest sicher fühlt. Zum Glück wird der Verkehr weniger, als man eine Brücke passiert, mir kommt ein belgisches Radlerpärchen entgegen, die ich gleich nach der Qualität der weiteren Strecke ausquetschen kann. Sie versichern mir, dass es ruhiger werden wird und damit haben sie auch Recht. Man fährt ein Stück auf „The highway of sea kingdoms“ und entgegen des Namens handelt es sich um einen komplett autofreien Weg. Mitten im Wasser steht eine verfallene Burg. Das einzige, was ich heute vermisse, ist eine Einkaufsmöglichkeit. Der Laden, den ich passiert habe, hatte gerade geschlossen und ich bin froh, als endlich ein Gasthaus auftaucht. Es ist eh Zeit für eine Pause und inzwischen hat es auch angefangen zu nieseln. An der Tür steht bereits an ein Rad und drinnen sitzt Steve (der Radler von der Fähre), der ein Bier trinkt. Ich bestelle Kaffee und ein Thunfisch-Sandwich und wir tauschen uns über bereits absolvierte Radtouren aus, bevor Steve sich wieder auf den Weg macht, er muss nur noch 5 Meilen bis zum nächsten Campingplatz, ich mache mich kurz darauf ebenfalls auf den Weg, auch wenn es jetzt stark regnet. Bei mir sind es noch 17 Meilen. Die rattern aber nur so runter und sind nicht anstrengend. Doch als es nur noch drei Meilen bis zum Ziel Oban sind, fährt man nochmal durch grüne Hügel, die Steigungen sind nicht lang, aber steil und vor allem geht es nur rauf oder runter. Mir kommt es so vor, als wären es die längsten drei Meilen meines Lebens, und immer wenn man eine Steigung gemeister hat, taucht die nächste auf. Jetzt bin ich doch platt! Und auch genervt. Aber nach gefühlten Stunden finde ich mich schließlich endlich im Ortszentrum von Oban wieder. Hier ist es proppevoll, der Verkehr stapelt sich und ich schiebe mein Rad auf den letzten Metern zum Hostel lieber, als noch durch den engen Verkehr zu quetschen. Ich habe gerade noch zwei Nächte buchen können, danach ist das Hostel ausgebucht. Es ist eben Hochsaison. Aufgrund der vielen Menschen hier an der Westküste, den Schwierigkeiten freie Unterkünfte zu finden und meiner Müdigkeit, die sich immer mehr breit macht, beschließe ich, meine Schottlandradtour in Oban zu beenden. Außerdem hätte ich nie im Leben gedacht, dass man sich so an Landschaften satt sehen kann. Und Schottland ist wirklich überbordend. Ich verbringe einen ruhigen bummelnden Tag am nächsten Tag in Oban, fahre dann mit dem Zug nach Glasgow. Und diese Zugfahrt führt durch den Nationalpark “The Trossachs“ und ich bin zwar kein Experte, könnte mir aber vorstellen, dass es eine der schönsten Bahnstrecken ist. Nach einer Besichtigung von Glasgow am nächsten Tag geht es dann weiter nach Warrington, wo mich meine Nichte und mein Schwager in Empfang nehmen. Ich werde mit englischem Frühstück und indischem essen wieder aufgepäppelt und kann nur sagen: Bei der Familie ist es immer am Schönsten!

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